Der 37-jährige Wirtschaftsprüfer Enzo Pontoriero leitet seit Juni 2020 die Gastroconsult AG. Im Interview mit dem GastroJournal spricht er über die aktuellen Herausforderungen der Unternehmer und wie sie diese erfolgreich bewältigen.
Enzo Pontoriero: Es gibt zwei grosse Herausforderungen: einerseits den Fachkräftemangel aufgrund von zu wenig ausgebildetem Personal und andererseits den Kostendruck durch die Inflation und steigende Energiepreise.
Das Einfachste ist, die Preise in den Betrieben zu erhöhen. Es gibt jedoch viele andere Möglichkeiten, um den Kostendruck zu bewältigen. So können die richtige Auswahl der Lieferanten, das Optimieren der Arbeitsabläufe, die Nutzung von Technologie wie Online-Bestell- oder Kassensystemen dazu beitragen, die Effizienz zu steigern und die Kosten zu senken. Es ist wichtig, dass die Gastronomen regelmässig ihre Kosten überprüfen und nach Möglichkeiten suchen, wie sie gesenkt werden können, ohne jedoch die Qualität oder die Kundenzufriedenheit zu beeinträchtigen. Die Sicht eines externen Beraters zu einer strategischen Kostenoptimierung kann eine grosse Unterstützung sein.
Derzeit ist das Verständnis für erhöhte Preise bei den Kunden vorhanden, weil alle von Inflation reden. Selbstverständlich ist dies je nach Region und Betrieb unterschiedlich. Es ist wichtig, bei der Entscheidung über Preisanpassung auch die Auswirkungen auf die Kundenzufriedenheit und die Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen. Dennoch empfehle ich, dieses Momentum zu nutzen.
Ja. Das kann man schnell umsetzen und so die Kosten senken. Allerdings heisst ein geschlossener Tag auch, dass dann Umsatz verloren geht.
Im Moment sind den Betrieben die Hände gebunden. Wir befinden uns in einem Arbeitnehmermarkt. Arbeitnehmer können recht hohe Lohnforderungen stellen. Letztlich muss der Betrieb kalkulieren und schauen, was möglich ist. Er muss ein attraktives Gesamtpaket anbieten. Dazu gehört der Lohn, aber auch ein guter Teamgeist und Flexibilität, wenn jemand beispielsweise zum Arzt gehen muss, und allenfalls eine Viertagewoche.
Der klassische Weg, um Mitarbeiter zu finden, hat seine Grenzen erreicht. Ausgefallene Inserate, Vitamin B oder Mitarbeitende im grenznahen Ausland zu finden, könnten Lösungen sein. Die Schweiz ist noch immer ein sehr attraktives Land mit einem hohen Standard. Da gibt es einige Menschen, die gerne hier arbeiten wollen.
Tatsächlich ist die Gästenachfrage mehrheitlich hoch. Es lohnt sich, von Anfang an beim Kunden um Verständnis zu bitten, wenn es länger als gewohnt dauern sollte. Wer dies mit Charme macht, hat bessere Chancen auf Erfolg.
Die erwähnten Herausforderungen sorgen dafür, dass die Margen schnell unter Druck kommen. Denn Fachkräftemangel heisst auch, dass die Löhne der Mitarbeitenden steigen, weil die Lohnforderungen in einem ausgetrockneten Markt zunehmen. Wir hören das von unseren Kunden sehr oft. Durch den Mangel haben die Betriebe vielfach keine andere Wahl, als die Mitarbeitenden zu besseren Konditionen einzustellen. Das ist ein Teufelskreis.
Das ist eine gute Frage. Ein Hebel sind die erwähnten Preiserhöhungen. Wichtig ist aber auch, die Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern. Hier sind Unternehmerinnen und Unternehmer gefordert, aber auch die Branche. GastroSuisse hat dies mit dem im letzten Jahr lancierten Fünf-Punkte-Plan erkannt. Ab und zu wird von der Gastronomie ein falsches Bild vermittelt, wonach die Branche als Arbeitgeber nicht attraktiv sei. Doch Gastgeber zu sein, ist ein schöner Beruf, die Branche ist sehr spannend. Neben dem eigentlichen Fachkräftemangel kommt hinzu, dass immer mehr Angestellte Teilzeit arbeiten möchten, was den Bedarf an zusätzlichem Personal erhöht.
Ja, die Vision sollte in einem Unternehmen wie ein Nordstern sein. Jeder gastronomische Betrieb sollte sich die Frage nach der Existenzberechtigung stellen. Wozu gibt es uns? Was macht uns einzigartig? Gastrobetriebe müssen dem Gast ein atemberaubendes Erlebnis bieten. Wenn dieser das Restaurant mit einem Lächeln verlässt, hat es der Betrieb richtiggemacht. Das muss auch vorgelebt werden. Die Vision sollte sich wie ein roter Faden durch das Unternehmen ziehen. Das ist ganz im Sinn einer neuen Generation von Mitarbeitenden. Früher arbeiteten Angestellte vor allem, um Ende Monat Geld auf dem Konto zu haben. Heute verlangen Mitarbeitende im Job nach einer Sinnhaftigkeit. Für Gastroconsult ist die Vision klar: Wir sorgen bei unseren Kunden für unternehmerische Sicherheit und damit Freiheit und Lebensqualität, damit sie nachts gut schlafen können.
Die Gastronomen sind mutiger geworden. Sie arbeiten öfter mit zwei Sitzungen und können so einen Tisch mehrfach verkaufen. Immer mehr Betriebe verlangen eine No-Show-Gebühr, wenn die Gäste nach einer Reservation nicht auftauchen. Das ist in anderen Ländern normal. Wenn sich das auch in der Schweiz durchsetzt, wird die Akzeptanz grösser. Und auf dem Land muss man noch mehr Aufwand betreiben, um Gäste zu erreichen. Andererseits kann ein abgelegenes Restaurant auf einem Hügel auch ein Vorteil sein, denn jeder braucht mal Ruhe und eine Auszeit.
Ich denke an die Linde in Fislisbach zwischen Zürich und Baden. Das Restaurant überzeugt mit einer sehr guten Karte, hoher Qualität beim Essen und freundlicher Bedienung. Der Gast merkt, dass er in einen Familienbetrieb einkehrt. Oder im Gasthaus zum Weissen Kreuz in Abtwil im Kanton Aargau ist das Restaurant auch mittags immer voll. Wiederum überzeugen die Mitarbeitenden, die sehr gute Küche und der faire Preis. Zudem wurde in eine einladende Terrasse investiert. Oder Eli Wengenmaier mit seinem Cabrio-Restaurant in Seengen. Eigentlich ist das Konzept in der Gastronomie einfach: gute Küche, gute Atmosphäre, freundliche Mitarbeitende – und das alles zu einem angemessenen Preis.
Ganz klar. Eine gute Küche verlangt nach hochwertigen Produkten. Da müssen Gastronomen den Mut haben, dafür einen Franken mehr zu verrechnen. Das grosse Problem: Die Gäste vergleichen die Gerichte mit den Preisen der Zutaten beim Grossverteiler. Wenn beispielsweiseein Tomaten-Mozzarella-Salat 15 Franken kostet, scheint das auf den ersten Blick teuer. Viele wissen nicht, dass die Lebensmittel nur 25 bis 30 Prozent des Preises ausmachen. Ein grosser Teil geht auf die Personal- und Mietkosten. Gerade die Mietpreise sind enorm gestiegen.
Interview von Reto E. Wild