Die Unternehmensberater
von Gastroconsult sind durch die Krise gefordert wie noch nie. Wo drückt in den
Hotels und Restaurants der Schuh? Was sind die grössten Herausforderungen?
Reto Grohmann und Peter Neuhaus erklären, was die Betriebe jetzt tun müssen.
Seit rund einem
Monat sind auch die Innenräume der Restaurants wieder geöffnet. Welches sind
die häufigsten Fragen, die Ihnen aus der Branche gestellt werden?
Reto
Grohmann (RG): Oft geht es um Themen zwischen
Vermietern und Mietern, etwa, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist, einen
Betrieb auszuschreiben und einen Nachfolger zu suchen, was eine faire Miete
ist, also das Mietwertgutachten, oder wie ich meine Mietsituation in einer
nächsten Pandemie vertraglich regeln kann.
Und was antworten
Sie?
RG: Aus der Sicht der Vermieter ist jetzt die richtige Zeit. Für die
Mietobjekte gibt es viele interessante Bewerber, wie wir sie vor der Pandemie
nicht erhalten haben. Es ist noch interessanter geworden, sich selbstständig zu
machen.
Peter
Neuhaus (PN): Das
kann ich aus der Sicht der Westschweiz nur bestätigen. Auch bei uns geht es oft
um die Begutachtung kommerzieller Mietverträge, ob der Mietzins marktgerecht
ist oder ob die Unternehmer zu viel bezahlen. Solche und ähnliche Fragen
erhalten wir fast täglich. Das bedeutet, dass viele interessiert sind, einen
Betrieb zu eröffnen. Unsere Schulungen sind immer ausgelastet, weil so viele
Bewerber etwas in der Branche aufbauen möchten – und dies trotz Krise. Die
Betriebe fragen zudem, mit welchen Investitionen sie rechnen müssen und was sie
erwirtschaften können.
Das ist doch
einigermassen überraschend, ausgerechnet jetzt so viele Anfragen für Neustarts
zu erhalten.
PN: Nun, die Zeit ist jetzt gut, um mit den Besitzern über den Mietzins
zu verhandeln. Weil die Konsumenten während des Lockdowns nicht in die
Restaurants gehen konnten, hoffen die Unternehmer, vom Nachholeffekt
profitieren zu können.
Sie sprechen die
Investitionen an. Diese lassen sich ja nicht über einen Leisten schlagen. Gibt
es eine Kerngrösse?
PN: Tatsächlich muss zuerst der Standort des Hotels oder des
Restaurants analysiert werden. Wichtig ist so oder so, sich in der Strategie
aufs Wesentliche zu konzentrieren und Betriebsabläufe effizienter zu gestalten.
Es stellt sich zudem die Frage, wie man Mitarbeitende vielseitig ausbilden
kann.
Weshalb?
PN: Wenn Sie ein kleines Hotel führen und eine Rezeptionistin
eingestellt haben, lohnt es sich, sie auch beim Frühstücksbuffet oder im
Service des Restaurants einzusetzen. Das ist eine Win-win-Situation für die
Mitarbeitenden und die Besitzer. Effiziente Mitarbeiter wirken sich auf das
Betriebsergebnis entscheidend aus.
Doch es braucht
mehr für einen erfolgreichen Betrieb.
PN: Klar. Wichtig ist, mit Technologien und Applikationen zu arbeiten,
um die Abläufe zu optimieren. Die jüngere Generation der Millennials möchte
beispielsweise tendenziell weniger Kontakt im Hotel. Deshalb ist es falsch,
Mitarbeitende permanent an der Recéption einzusetzen. Mit der App des Schweizer
Start-up «Simon & Josef» erhält der Hotelier beispielsweise einen QR-Code
für jedes Zimmer. Der Gast kann diesen scannen und entscheiden, ob das Zimmer
oder nur das Badezimmer gereinigt werden soll oder ob das überhaupt nicht nötig
ist. So spart der Hotelier Ressourcen und kann seine Mitarbeitenden gut einsetzen.
Der Hotelgast fühlt sich wiederum als König, weil er bei seinem Aufenthalt
mitentscheiden und so allenfalls etwas für die Umwelt tun kann.
RG: Wir waren vergangene Woche bei
der Firma Hugentobler und haben uns die neuen Maschinen angeschaut. Dabei kam
die Frage für die Betriebe auf, ob es beispielsweise nötig sei, täglich einen
frischen Kuchen zu backen oder ob es nicht reichen würde, ihn von einem Mami
oder einem Grosspapi zu produzieren und zu kühlen. So eine Hilfskraft könnte in
einem 20-Prozent-Pensum arbeiten, was für den Betrieb schnell amortisiert wird.
Teilzeitmodelle mit Mitarbeitenden werden ohnehin die Zukunft sein.
Zur
Effizienzsteigerung wird immer wieder die Reduktion des Angebots und der
Öffnungszeiten empfohlen.
PN: Sich aufs Wesentliche zu
konzentrieren, finde ich grundsätzlich eine gute Sache. Oft sind die Menükarten
mit zu vielen Angeboten überladen. Restaurateure und Hoteliers müssen sich
überlegen, was die Grundwerte des Betriebs sind und was jene der Gäste. Wichtig
ist, die Qualität gerade bei den Produkten hochzuhalten und für eine gewisse
Swissness zu sorgen. Somit werden Schweizer Gäste, aber vermehrt auch Europäer
angelockt. Unternehmen, die mehrere Betriebe haben, sollten abklären, welche
Restaurants im Sommer zu öffnen sind.
RG: Ich teile die Ansicht von Peter Neuhaus: Ich kenne mit wenigen
Ausnahmen keinen Betrieb, bei dem der Unternehmer von seinem grossen Angebot
nachhaltig profitiert. Und wer beispielsweise bis 11.30 Uhr nur zwei, drei
Kaffees verkauft, sollte aus betriebswirtschaftlicher Sicht sein Restaurant
erst am Mittag öffnen.
Mit welchen
Problemen seitens der Betriebe sehen Sie sich zusätzlich konfrontiert?
PN: In Städten wie Genf herrscht
eine grosse Angst vor der Planungsunsicherheit, gerade bei Hoteliers. Sie
wissen nicht, ob und wann die ausländischen Gäste wieder in grösseren Zahlen
reisen. Und immer wieder fragen uns Kunden, wo sie Mitarbeitende finden können.
Der Fachkräftemangel in der Restauration und in der Hotellerie ist ein grosses Problem.
RG: Neben den Streitigkeiten zwischen Vermietern und Mietern kommt es
zu Konflikten unter den Gesellschaftern. Wer schiesst beispielsweise Geld ein,
wer zahlt wen aus? Das sind unschöne Diskussionen, bei denen es letztlich darum
geht, wie viel ein Unternehmen wert ist.
Was raten Sie den
KMU, um aus der Krise unbeschadet zu gehen?
PN: Ein Hotelier sollte sich um den
Gast kümmern, vor seiner Anreise, während seines Aufenthalts und nach der
Abreise. Zum Austausch gibt es interessante CRM. Nach dem Aufenthalt lohnt es
sich, dem Gast mit einer E-Mail zu danken. Ein anderes Thema: Mehr und mehr
Hotels vermieten Seminarräume als Büroräumlichkeiten mit Hotelservice. Und wer
die Zimmer neu mit kleinen Küchen ausstattet, spricht neue Gäste an, die einen
längeren Aufenthalt planen. Das bedingt zwar eine Investition, die sich aber
langfristig auszahlen dürfte und zum Verkaufsargument wird. Aus Erfahrung weiss
ich schliesslich, dass es sich lohnt, sich mit einem Spezialisten
auszutauschen, bevor man einen Mietvertrag abschliesst.
Im Restaurant hält
sich der Gast keine Nacht auf. Was muss der Beizer tun?
RG: Der Hotelier macht vieles richtig, wenn er sich beim Gast etwa mit
einem Fragebogen erkundigt, ob ihm der Aufenthalt gefallen habe. Das könnten
aber auch Gastronomen tun: Oft muss ich ja bei einer Reservation meine E-Mail
oder auch mal mein Geburtsdatum angeben. Weshalb nicht zwei Tage später dem
Gast schreiben und danken, dass er das Restaurant in dieser schwierigen Zeit
unterstützt hat oder zum Geburtstag eine E-Mail mit einem Gutschein für ein
Cüpli verschicken? Die Betriebe sollten die Zeit nach der Schockstarre für
kreative Ideen nutzen, sich selbst hinterfragen und weiterbilden.
PN: Wir erhalten viele Anfragen mit kreativen Konzepten. Unser
Unternehmensberater Mirco Held schrieb im GastroJournal, wie wichtig
Storytelling für die Gäste sei. Diese wollen nicht nur über die Produkte
erfahren, sondern über die Geschichte dahinter. Ich war in einem Restaurant im
Kanton Freiburg. Dieses hatte einen regionalen Risottoreis im Angebot und ein
Mozzarella, der mit lokaler Milch produziert wurde. Das ist eine begeisternde
Geschichte, die auf der Menükarte erwähnt werden müsste.
RG: Ich habe erfahren, dass das für seine Schnitzel bekannte Wiener
Restaurant Figlmüller nun auch ein veganes Schnitzel des Schweizer
Start-up «Planted» anbietet. Die
österreichischen Medien haben enthusiastisch darüber geschrieben. Ich rufe
deshalb zu mehr Mut auf der Karte auf!
Reto M. Grohmann (41) arbeitet seit 2017 als Unternehmensberater und Vizedirektor für
Gastroconsult in Zürich. Er ist diplomierter Hotelmanager und
Hôtelier-Restaurateur. Zuvor arbeitete er unter anderem als Resident Manager
für ein Fünfsternehotel auf Koh Samui, als Operationsanalyst für das Dolder in
Zürich und als Projektleiter für die Berest AG in Basel.
Peter A. Neuhaus (42), Absolvent der Ecole Hôtelière Lausanne,
startete seine Karriere als Trainer und Supervisor für F&B bei den Como
Hotels, arbeitete unter anderem für Four Seasons Hotel Canary Wharf, das Grand
Hotel Park in Gstaad BE und das Hotel des Inventions in Ecublens VD und war
Schulungsleiter Mirus Software für die Romandie. Seit März 2021 ist der
Solothurner zusammen mit Remi Susset als Unternehmensberater Gastroconsult für
die französischsprachigen Kantone zuständig.
Interview und Foto Reto. E. Wild