Valérie Morel ist diplomierte Treuhandexpertin, Direktorin
von Gastroconsult Freiburg und Mutter eines siebenjährigen Jungen. Sie erzählt
von der Branche, von der Stellung der Frauen, von ihrem Beruf – und gibt
Auskunft über ihr Familienleben.
Ein Interview von Caroline Goldschmied
Wie sind Sie Direktorin von Gastroconsult
Freiburg und Regionaldirektorin West geworden?
Valérie Morel: Meine Stelle als Direktorin bei SBC Treuhand in Pully und jene der
Direktorin von Gastroconsult Pully sollten früher oder später zusammengelegt
werden. Chantal Bochud wird ihrerseits 2023 in den Ruhestand gehen und schlug
vor, ihre Stelle als Direktorin schon vorher abzugeben, weshalb die Stelle zu
besetzen war. Das war eine einmalige Gelegenheit, die ich – allerdings erst nach
sehr reiflicher Überlegung – auch ergriff: Die Stelle anzutreten, bedeutete für
meine Familie nämlich den Umzug nach Freiburg und das Verlassen unseres
vertrauten Umfelds aus Familie und Freunden. Privat schien es uns eine gute
Gelegenheit zu sein, einen ruhigeren Wohnort zu finden, näher an der Natur und
den Bergen. Und schliesslich dachte ich mir, dass, wenn wir nach Freiburg
ziehen, es das Schicksal wohl so wollte!
Worin besteht Ihre Arbeit?
Mein
Kundenportfolio besteht aus einigen Bäckereien sowie bestimmten Kundinnen und
Kunden, die ich von meiner Vorgängerin übernommen habe, die noch 50% arbeitet.
Hinzu kommt die des Sitzes Freiburg: Rechnungen, Budgets und Personalwesen. Ich
arbeite mit sechs Personen zusammen. Als Regionaldirektorin West unterstütze
ich die vier Gastroconsult-Direktoren in Genf, Pully, Sitten und Saignelégier
(Jura). Wir halten regelmässig Sitzungen, um uns auszutauschen. Und
schliesslich bin ich dafür verantwortlich, der Geschäftsleitung von
Gastroconsult vom Geschäftsgang zu berichten und mich an strategischen
Überlegungen zu beteiligen.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am
besten?
Ich habe
eine gewisse Unabhängigkeit, insbesondere in der Art und Weise, wie ich den
Geschäftssitz leite, wobei ich bei Bedarf auf die Unterstützung meiner
Kolleginnen und Kollegen aus der ganzen Schweiz zählen kann. Ich schätze den
Abwechslungsreichtum meiner Tätigkeit, meine Aufgaben betreffen mal
betriebliche, mal strategische Fragen. Zudem sitze ich nicht nur am Bildschirm,
sondern bin unterwegs, um meine Kunden zu besuchen und auf diese Weise den so
wichtigen persönlichen Kontakt mit ihnen zu pflegen.
Gehörte es zu Ihren Lebenszielen einmal
eine Führungsposition einzunehmen?
Ich würde
sagen, mein oberstes Ziel ist es, stets dazuzulernen. Als ich meinen
Fachausweis als Fachfrau im Finanz- und Rechnungswesen sowie mein Diplom als
Rechnungslegungs- und Controllingexpertin in der Tasche hatte, entschied ich
mich für Aufgaben, die mir die Möglichkeit boten, das erworbene Wissen auch
praktisch umzusetzen. Zudem wollte ich meine Deutsch- und Englisch-Kenntnisse
anwenden können. Ich wollte vermeiden, in einen immer gleichen Trott zu
verfallen, wollte abwechslungsreiche Aufgaben – all diese Aspekte sind mir sehr
wichtig. Wenn es zu ruhig ist, langweile ich mich nur.
Wie sind Sie als Vorgesetzte?
Ich würde
sagen, mein Führungsstil ist irgendwo zwischen «kooperativ» und «laissez-faire»
anzusiedeln. Ich gebe Mitarbeitenden gerne die Möglichkeit, sich und ihre
Meinung einzubringen, was es ihnen gleichzeitig ermöglicht, ihre Aufgaben
selbstständig zu bewältigen. Ich setze mein Vertrauen in sie und sie wissen
ihrerseits, dass ihnen meine Tür immer offen steht.
Wie geht es der Branche in Freiburg ihrer
Ansicht nach?
Moralisch
haben die beiden Pandemiejahre die Restaurateurinnen und Restaurateure hart
getroffen. Sie haben das Gefühl, ihr Bestes getan zu haben, um die Auflagen
einzuhalten und empfanden sich doch bei jeder neuen Salve von
Gesundheitsmassnahmen als Geiseln der Situation. Wenn die Regeln ständig
ändern, steigt die Zahl jener, die den Boden unter den Füssen verlieren. Als
Treuhandunternehmen leiden auch wir unter den Folgen, denn wir müssen unsere
Kundinnen und Kunden ohne Unterlass ermutigen und uns ständig informieren, um
auf dem Laufenden zu bleiben. Über den Kampf für den Erhalt von Entschädigungen
und die Abschaffung der Zertifikatspflicht hinaus, bleibt auch noch zu hoffen,
dass die die Menschen neues Vertrauen fassen und wieder ins Restaurant gehen.
Im Vordergrund dieser Ausgabe stehen die
Frauen. Wie sehen Sie die Stellung der Frauen in der Branche?
Ich
beobachte, dass es in der Branche immer mehr Frauen in Führungspositionen gibt
und dass sie ihren männlichen Kollegen in nichts nachstehen. Ich denke, Frauen
haben gute Karten. Sie haben andere unternehmerische Fähigkeiten, ihre eigene
Herangehensweise und vor allem eine andere Sensibilität. Jeder und jede, ob
Mann oder Frau, hat einen Platz, der eingenommen werden will. Ich ermutige die
Frauen, in die Branche einzusteigen, auch wenn es für Männer einfacher ist,
Karriere zu machen. Ich hatte diese Möglichkeit, aber viele Frauen entfernt die
Mutterschaft vom Arbeitsmarkt und sie müssen auf ihre Karriere verzichten.
Was tun Sie, um Arbeits- und Privatleben
im Gleichgewicht zu halten?
Einfach
ist es nicht! Da werden auch Opfer gefordert. Wenn ich am Abend von der Arbeit
nach Hause komme, hat Zeit mit der Familie zu verbringen Vorrang. Ich kann
nicht so viel Sport treiben, wie ich es gerne hätte, aber ich habe das Glück,
einen Partner zu haben, der bereit ist, Hausmann und Vater zu sein. Er kümmert
sich um unseren Sohn und erledigt sämtliche Aufgaben im Haushalt. Er arbeitet
also, so wie ich!
Tatsächlich ist Mutter und Hausfrau bzw.
Vater und Hausmann zu sein nämlich eine Vollzeitbeschäftigung. Sie sind also
ein modernes Paar. Wie haben Sie sich auf diese Aufgabenteilung geeinigt?
Als ich
schwanger wurde, war rasch klar, dass ich mein Arbeitspensum nicht wesentlich
verringern wollte. Meinem Partner war es wichtig, dass unser Sohn nicht in
einer Kinderkrippe oder bei einer Tagesmutter oder sonst wo platziert wird. Wir haben uns
nicht für ein Kind entschieden, um unsere Elternrolle dann zu delegieren,
sondern möchten unser Kind, soweit möglich, auch selber aufziehen. Anfangs
war mein Partner noch in Teilzeit berufstätig. Sobald ich meine Stelle und
meine Funktion in Freiburg angetreten hatte, beschlossen wir gemeinsam, dass es
die beste Lösung ist, wenn er Vater und Hausmann wird.
Stimmt die Situation heute für sie beide
so?
Absolut.
Mittelfristig, langfristig, wenn unser Sohn älter ist, wird mein Partner
sicherlich wieder Teilzeit arbeiten wollen. Gegenwärtig haben wir für uns drei
eine gute Balance gefunden. Unsere Freizeit gemeinsam an der frischen Luft mit
Langlauf, Wandern oder Velofahren zu verbringen, hilft uns da. In der Natur,
und vor allem weit weg von grossen Menschenmengen, können wir uns erholen.
Was motiviert Sie morgens beim Aufstehen
am meisten?
Vor allem anderen,
dass ich gesund bin. Aber auch, mein Kind zufrieden aufwachsen zu sehen, es im
Leben möglichst gut zu begleiten und es auf die Zukunft vorzubereiten.
Mehrfach diplomierte Führungskraft
und Mutter
Valérie Morel (45) ist seit dem 1. April 2021 Direktorin
Gastroconsult Freiburg und Regionaldirektorin West und ersetzt damit Chantal
Bochud, die Ende 2023 in den Ruhestand tritt. Davor leitete Valérie Morel seit
2008 die Zweigniederlassung West der SBC Treuhand AG in Pully. Das Unternehmen
ist auf Bäckereibetriebe spezialisiert und gehört zu 50 % Gastroconsult.
Valérie Morel ist ausserdem Verwaltungsratsmitglied von Gastroconsult. In
Freiburg beschäftigt Gastroconsult sieben Mitarbeitende, vier davon sind Frauen.
Die dynamische Vierzigerin besitzt drei Diplome: den Fachausweis Fachfrau in
Finanz- und Rechnungswesen, das Diplom Finanz- und Controlling-Expertin und das
Treuhänderinnen-Diplom. Sie hat einen siebenjährigen Sohn und lebte vor ihrem
Umzug nach Glâne (FR) vor zwei Jahren, 40 Jahre lang im Kanton Waadt – für die
gebürtige Freiburgerin also eine Art «back to the roots».