In den vergangenen beiden Jahren hat die Coronapandemie die Branche vor unzählige Herausforderungen gestellt. Restaurants auf der ganzen Welt wurden gezwungen, neue Wege zu finden, ihre Gäste zu bedienen. Viele Gastronominnen und Gastronomen fragen sich nun, worauf es nach Corona ankommt und ob es eine neue Ausrichtung braucht.
Restaurantbesuche und der soziale Austausch sind zwei der meistgenannten Antworten auf die Frage, was den Schweizerinnen und Schweizern während der Coronazeit am meisten gefehlt hat. Dass wir wieder mehr ausgehen und geniessen werden, ist somit gewiss. Dies ist eine riesige Chance für die Gastronomie, die unbedingt gepackt werden soll. Die Gäste werden zukünftig aber nicht nur ein Restaurant besuchen, um sich zu verpflegen. Das können sie dank den unzähligen neuen Take-away- und Delivery-Angeboten auch zu Hause. Vielmehr geht es ihnen bei einem Restaurantbesuch darum, soziale Kontakte zu pflegen, sich etwas zu gönnen und etwas Besonderes zu erleben.
Klar, das Essen muss schmecken, gut zubereitet sein und entsprechend mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis übereinstimmen. Aber das sind «Hygienefaktoren»: Umstände, die ich als selbstverständlich erachte. Was ein Restaurantbesuch zu einem unvergesslichen, positiven Erlebnis macht, sind ganz klar die Menschen vor Ort. Treffe ich auf gelangweilte, unmotivierte Mitarbeitende, die mich kaum beachten? Oder auf herzliche Gastgeber, die vor Begeisterung strahlen und mir sofort das Gefühl geben, willkommen zu sein? Kommt dann noch ein authentischer Spruch, eine persönliche Empfehlung, eine interessante Geschichte über die Produzenten oder ein Gericht, erlebe ich bereits mein erstes Highlight. Als Gastgeber tut man gut daran, nicht dauernd über Corona zu reden oder sich über die schlechten Zeiten zu beklagen. Lassen wir das Vergangene vergangen sein, und bieten wir den Gästen wieder eine schöne Zeit mit kulinarischen Highlights. Eine weitere wichtige Rolle im Zusammenhang mit Erlebnissen spielen unsere fünf Sinne. Deshalb sollte nebst dem Schmecken auch dem Sehen, Hören, Riechen und Fühlen Aufmerksamkeit geschenkt werden. Ein klares Designkonzept, stimmige Musik, ein passender Duft und unterschiedliche Texturen bei den Gerichten oder ein Materialienmix bei der Einrichtung tragen zu einem harmonischen Rundumerlebnis bei. Ein gutes Restaurantkonzept sollte wie eine eigene Persönlichkeit sein: Es hat nicht nur einen Namen, sondern auch eine eigene Sprache, einen eigenen Duft, einen eigenen Stil, einen eigenen Auftritt. All dies sollte harmonieren, damit sich am Schluss eine authentische Identität ergibt.
Herzlichkeit und Charme helfen, eher mal einen Fehler zu verzeihen. Wenn jedoch die Mitarbeitenden jede Bestellung falsch aufnehmen oder nicht wissen, was sie gerade servieren, hilft auch die netteste Servicemitarbeiterin nicht. Eine Herausforderung, die aktuell alle beschäftigt, ist der akute Fachkräftemangel. Es ist schwieriger denn je, qualifizierte Leute für die Gastronomie zu finden. Aufgrund der angeordneten Schliessungen mussten sich viele Arbeitnehmende neue Jobs in anderen Branchen suchen. Dabei haben sie festgestellt, dass es auch anders geht: einfacher, mit mehr Wertschätzung, mehr Lohn und mehr Freizeit – sogar am Wochenende. Es ist dennoch möglich, gute Mitarbeitende zu finden und diese zu halten. Insbesondere bei der jüngeren Generation geht es nicht nur um den Lohn. Sie legt viel mehr Wert auf Sinnhaftigkeit, flache Hierarchien sowie Mitgestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Neue Ansätze und innovative Ideen sind gefragt. Beispielsweise Arbeitszeiten oder Teilzeitmodelle, die mit den individuellen Bedürfnissen der Mitarbeitenden und ihrer Work-Life-Balance übereinstimmen. Warum es nicht mit einer Viertagewoche versuchen? Oder es den Mitarbeitenden selbst überlassen, wer wann welchen Dienst übernimmt?
Zudem sollte man sich folgende Fragen überlegen: Welche Qualifikationen benötigt die zu besetzende Stelle wirklich? Wie agiere ich agil bei einem Mangel an Fachkräften? Auf welche Personengruppen kann ich alternativ auf dem Arbeitsmarkt zurückgreifen? Wie balanciere ich die Wertschätzung zwischen ungelernten und gelernten Mitarbeitenden, um eine dreijährige Ausbildung nicht «überflüssig» aussehen zu lassen?
In diesem Zusammenhang kommt der Schulung der Mitarbeitenden eine wichtige Rolle zu: Restaurants müssen in der Lage sein, neue und sogar ungelernte Arbeitskräfte so effizient wie möglich auszubilden. Ebenfalls zentral ist, auf die einzelnen Interessen und Fähigkeiten der Mitarbeitenden einzugehen. Vielleicht ist ja die Köchin in ihrer Freizeit eine leidenschaftliche Bloggerin? Dann könnte man ihr das Social Media-Marketing für das Restaurant überlassen. Regelmässig sollten auch Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt und besprochen werden, um langfristige Perspektiven zu schaffen. Je mehr sich die Mitarbeitenden einbringen, sie mitreden und mitgestalten können, umso glücklicher sind sie, umso motivierter arbeiten sie und umso länger bleiben sie. Und das spüren auch die Gäste!
Lesen Sie weitere Empfehlungen von Rebekka Stutz auf www.gastrojournal.ch/marktplatz ab dem 15. September
Autorin: Rebekka Stutz
Unternehmensberaterin
Gastroconsult Bern